Kowa Prominar XD – ein neuer Stern am Fernglashimmel?
Ja, es war nicht gerade ein üblicher Samstagnachmittag, den wir, vier astronomie- und ornithologiebegeisterte Fernglassammler und –kenner, da miteinander in meinem Garten, in Werne an der Lippe, verbracht haben: Drei große Kisten picke- packe voll mit Porro-Gläsern hoher bis höchster Qualität. Einige waren bereits über 100 Jahre alt (Goertz , Busch) die meisten etwa 50 Jahre, also bereits mit der einfachen Magnesiumfluorid-Vergütung versehen, die gegenüber den unvergüteten Gläsern bereits einen enormen Helligkeits- und Kontrastgewinn verbuchten (Swarovski, Leitz, Zeiss Jena, Zeiss Oberkochen, Hartmann, Beck und Spindler & Hoyer) und einige wenige, ganz frischen Datums heute noch auf dem Markt erhältliche Spitzenoptiken (Nikon SE, Fujinon, Swift ED).
Warum nur Porros und keine Dachkantgläser?
Nun, eigentlich ganz einfach! Wir vier haben ein überdurchschnittliches, trainiertes Sehvermögen! Für Ornithologen beispielsweise, kommt es darauf an, selbst unter schwierigen Lichtbedingungen Vögel nahverwandter Arten eindeutig zu identifizieren. Das verlangt neben der Wiedergabe eines hohen Kontrasts und möglichst höchster Farbreinheit und -neutralität, vor allem eines: Allerhöchstes Auflösungsvermögen im Bildzentrum gekoppelt mit einer hohen Plastizität des Bildes! Bis vor 3 Jahren habe ich mit meinem Leica Trinovid 8x42 BN„gespechtelt“. Gott weiß, kein schlechtes Glas, aber für meine trainierten Augen war das Bild, das mir dieses Glas lieferte, nicht das, was ich mir von einer 1200 EUR Optik versprochen hatte: Da war beispielsweise deutlich Streulicht zu verzeichnen; es geisterte vor allem im unteren Drittel des Bildes als halbmondförmiges (Öffnung nach oben; auch noch, wenn auch abgeschwächt, im Ultravid zu finden) kontrastminderndes Gebilde herum… Und dann diese Farbsäume, selbst im Bildzentrum! Auf einer Testtafel waren alle schwarzen Ziffern auf weißem Hintergrund bunt umsäumt und daher nicht sauber vom Hintergrund abgelöst! O.K., das lässt sich nun mal bei Dachkantgläsern nicht vermeiden, aber muss das wirklich so ausgeprägt sein, dass die Farbsäume, auch wenn man nicht danach sucht, augenfällig werden? Wen wundert es da noch, dass das Glas, obwohl ich es als bestes von 4 Exemplaren habe aussuchen können, längst nicht die Schärfeleistung meines gut 50 Jahre alten Leitz 8x30 Binuxits Porros im Bildzentrum bringen konnte. Beim Binuxit muss man übrigens im Bildzentrum lange angestrengt nach chromatischen Abberationen suchen, bevor sie sich wirklich bemerkbar machen! Nur zu verständlich also, dass ich mich immer mehr dabei ertappte alte Porros aus meiner Sammlung für Feldstudien zu wählen und das Trinovid, trotz des besseren, multivergütungsbedingten Kontrasts, zuhause bleiben musste. Schließlich habe ich es nach dem Erwerb des voll multivergüteten Nikon 8x32 SE Glases verkauft (Tests u.a. im bird forum und bei betterviewdesired). Das Nikon war deutlich schärfer (wenn auch eine Fitzelchen weniger scharf als meine alten Binuxit) als das Leica, seine Streulichtempfindlichkeit unvergleichlich niedriger und seine Randschärfe unerreicht von allen von mir bislang getesteten Dachkantgläsern einschließlich der Ultravids und der Zeiss Fluorid-Gläser! Es wurde somit zu meinem Allround-birding Glas. Dachkantgläser hatte ich für mich erst einmal abgeschrieben…
Doch dann kam Simone mit Ihrem Kowa Prominar 8,5x44 XD Glas…
Highlight des Tages war, dass Simone Hauptmann von Optixxx extra 350 km (!!) gefahren ist, um unsere Sammlung alter Porros zu bewundern und natürlich auch ausgiebig zu testen. Also, - pardon-, die fünfte Fernglasverrückte, die sich im Garten einfand…!
Auch sie war bislang hochwertigen Porros „verfallen“ (u.a. Docter Optics Nobilem, Swift ED-Gläser) und ähnlich wie ich, vor allem im Hinblick auf den Preis, nicht von der Leistung der modernen Leicas und der Zeiss-Gläser so recht überzeugt. Mit dabei, die vierte Kiste im Bunde u.a. mit dem alten und dem neuen Swift Audubon 8,5x44 ED (um das ich Simone für einen Test gebeten hatte), dem Highländer von Kowa (…darüber müssen wir in naher Zukunft auch noch unbedingt einige Worte los werden!) und zwei „Dachkanten“ von Swift (Eaglet 7x36) und Kowa (XD44 - 8.5) , denen ich zunächst nur wenig Aufmerksamkeit schenkte (Sie wissen warum…sprich, warum ausgerechnet Kowa, wenn es doch Leica schon nicht so richtig bei den „Dachkanten“ „gebacken“ kriegt? Man hat ja nun einmal so seine Vorurteile…)
Doch was mich dann irgendwie stutzig machte, war, dass mein Kollege Erhard D., ebenfalls ein eingefleischter „Porronist“ eines der beiden Gläser, das XD-Glas, gar nicht mehr aus den Händen gab! Er bat mich um unserer Referenz, mein Nikon-Porro 8x32 SE als Vergleich und führte anschließend wieder schweigend das Kowa XD - Glas vor seine Augen. Testobjekt waren die feinen Flechten an Zweigen und die zerfurchte Borke einer alten Kirsche in 5 bis 12m Entfernung vom Beobachtungsstandpunkt. Die Objekte befanden sich teilweise auch im Gegenlicht der Abendsonne, und konnten somit auch helfen mögliche Streulichteinfälle sichtbar zu machen. Als Erhard seine vergleichenden Tests abgeschlossen hatte, drückte er mir das Glas mit einem - pardon Erhard – breitem Grinsen in die Hände und meinte nur knapp: “Wilhelm, das glaubst du nicht…!“
Er hatte Recht! Mein bewährtes Nikon SE hatte erstmals aus dem Dachkantlager einen ernst zu nehmenden Konkurrenten gefunden: Eine Schärfe im Bildzentrum, die en par war mit der des Nikons und, - wie anschließende Analysen zeigten -, des Fujinons und die nur ganz ganz knapp hinter der meines ausgewählten Leitz Binuxits lag! Die Randschärfe des Glases ist einfach phänomenal: Sie lässt Zeiss und Leica weit (!!) hinter sich und überragt selbst die des bisherigen „Platzhirschen“ Nikon SE! Aber noch beeindruckender war der Kontrast, den dieses Glas wiedergab! Erhard meinte nur ganz lapidar: „Das ist knackiger als dein Nikon“, und er hatte Recht... Vor allem im Gegenlicht, wo die Leica-Gläser (hier besonders die Trinovid-Reihe) deutliche, halbmondförmige, streulichtbedingte Reflexe im unteren Bilddrittel offenbarten und das Nikon auch leichte „Schwächen“ zeigte, gab es beim Kowa zu unserer aller Überraschung keinerlei erwähnenswerte Beanstandungen. Es war das erste Fernglas überhaupt, das ich in meinen Händen halten durfte, das Streulichteinflüsse fast vollkommen ausschloss!! Dazu waren selbst die Zeiss-Fluorid-Gläser, die ich unter ähnlichen Testbedingungen ausführlich auf der Astrobörse in Essen letzten Monat testen durfte, nicht in der Lage! Eine offensichtliche Meisterleistung der Kowa-Entwickler! Farbsäume, wie sie typisch sind für Dachkantgläser machen sich im Kowa-Bild im Zentrum überhaupt nicht bemerkbar. Zum Rand hin nehmen sie naturgemäß etwas zu. Am Bildrand ließ sich nur eine schwache kissenförmige Verzeichnung bei Betrachtung eines Strommastes ausfindig machen. Entsprechend gab es beim Schwenken des Glases keinen störenden Globuseffekt!
Und Schwachstellen gibt es keine? Doch, wie leider immer noch üblich bei japanischen Gläsern, ist der einstellbare Augenabstand für etwa 15 – 20 % aller potentiellen europäischen, männlicher Benutzer zu gering: Das Glas ist für schmale, asiatische Köpfe konstruiert und berücksichtigt nicht, unsere „Dickschädel“. Doch Simone hat das schon bei Kowa beanstandet und geht fest davon aus, dass bereits in nächster Zeit dieser Tatsache Rechnung getragen wird. Schließlich ginge da Kowa ein ganz beträchtlicher, potentieller Marktanteil verloren!
Fazit unseres Testes:
Kowa hat die Hürde in die absolute Spitzenklasse der Dachkantgläser mit Bravour genommen und dabei so einige namhafte europäische Firmen hinter sich gelassen! Das Prominar-Glas ist für uns 4 (ehemalige…?) Porronisten nun zu der Referenz (unserem Stern) unter allen Fernglastypen aufgestiegen!
Und das sollte man auch erwähnen: Es ist als mit etwa 1055 EUR deutlich günstiger als beispielsweise die Fluorid-Gläser der deutschen Konkurrenz! Und das bei größerer Öffnung (44 zu 42 mm).
„Platte“ Werbung für Simones Geschäft? Mitnichten…Wenn schon kein Porro, dann dieses Kowa XD-Glas!
Ach ja, das möchten wir noch erwähnen: Wir haben hier den Test nicht eingestellt um Simone zu höheren Umsätzen zu verhelfen (obwohl wir es ihr natürlich von ganzem Herzen gönnen würden…) noch sind wir in irgendeiner Weise am Umsatz beteiligt (wir sind nicht käuflich!) Wir wollen die Leserin/den Leser einfach nur, auf ein in vielen Kreisen noch unbekanntes Glas aufmerksam machen, das man unbedingt beim Kauf eines neuen Fernglases in Erwägung ziehen sollte! Denn stellen Sie sich einmal vor: Sie haben ein deutsches oder österreichisches Edelglas teuer erworben und treffen bei feldornithologischen Studien auf einen Kollegen, der ein Kowa XD- Glas sein eigen nennt, das Sie dummerweise zuvor nie getestet haben. Meine Empfehlung: Testen Sie es dann auf keinen Fall mehr… Es könnte sehr weh tun!